Hallo,
ich bin Robert Stoff und zukünftig der reichste Mann
der Welt, einer Welt, die bis zum Planeten Mars reicht. Ich bin ein
Seelenfänger. Füllen sie das Kästchen aus, es wird sich lohnen. Reich
werden wollen, da würde ich Ihnen davon abraten, das werde ich für Sie
übernehmen. Füllen Sie das Kästchen aus, es wird Sie glücklich machen,
schlussendlich. Zuerst werden Sie zweifeln, das ist gut so, einige
werden sogar verzweifeln, so ist das. Irgendwann aber werden Sie
glücklich werden und lächeln. Füllen Sie das Kästchen aus oder lassen
Sie es bleiben. "Und nun?", werden Sie fragen, das ist gut, fragen Sie
ruhig, die Antwort ist kindisch und wird Ihre eigene sein. Nur Reiche
antworten nicht kindisch, die antworten überhaupt nicht. Sie wollen
reich werden, ein bisschen nur? Und Sie wollen es nicht mir überlassen?
Dann füllen Sie das Kästchen aus. Sie sind es schon, ein bisschen
reich? Dann füllen Sie das Kästchen aus. Sie sind arm und wollen es
bleiben? Dann lügen Sie, füllen Sie das Kästchen
aus.
Mein Sekretär Saul beantwortet
Ihnen Fragen, vielleicht. Nach all der Vergeblichkeit (studieren Sie
mal das Wort), gibt es hier etwas Trost. Das Plaudern, das mein lieber
Autor verspricht, überlasse ich
vorläufig dem Herrn Pfister und vielleicht dem Gesichtsbuch. Die Musik ist von
Mulatu Astatke: Tezeta heisst das Stück.
Schweisstriefend
standen sie schon bald mal vor ihrem Vehikel, einer saftigen Krishna
12, einem Alleskönner, der mit Lizenz sogar manuell zu steuern war, was
Neun, der keinerlei Lizenzen besass, nicht davon abhalten würde sich
den Spass zu gönnen und sozusagen als Geheimagent von SureTrusts Gnaden
mal richtig im Tiefflug über die Hagel- und Sonnenschutzzelte der
Vorstädtler zu zischen.
Als der
zuständige Inform entsprechende Zugeständnisse von dem nun doch etwas
unter der Hitze leidenden Neun verlangte (wie hatten die das nur im
Kornfeld ausgehalten? Wie hatte bloss das Kornfeld das ausgehalten? Die
Zukunft kann alles und ist nichts weiter als die Antwort auf kleinliche
Fragen), stieg Neun kurzerhand durch dessen Holo durch und startete das
Ding mit seinem gut aufdatierten Decoder, der seinerseits bloss einige
Informkäfer streute, die die Krishna in Beschlag nahmen und, dem
Käfergott, irgendein Schelmeninform, sei`s gedankt, die Krishna
startklar machten. Und wenn man genau hinschaute, dann sah man kurze
Zeit später eine sehr dünne meterlange Kolonne über das Bugrad die
Krishna verlassen, die Kolonne der alten Käfer, die sich rasch davon
machten, um irgendwo bei SureTrust ein neues Nest zu finden.
Während Neun die Handsteuerung einrichtete, besann
sich Jonas Götz auf sein Begehren, weniger zu sein als möglich, ja ein
kleines Glückslicht begann in seinem Kopf zu glimmen und versprach
stärker zu werden, wenn es nur etwas Luft und Nahrung bekommen dürfte.
Das war es, das musste es sein, was er gesucht hatte, das musste es
sein, das auch Oskar auf der Robin 1 gesucht hatte. War es das? Die
Käfer ahnten es, die Käfer arbeiteten fleissig, so eine Handsteuerung
begann im Kopf. Neun startete die Krishna. Beim Abheben begann eine
Hammondorgel mit einer Gitarre zusammen einen wunderbaren Sound zu
produzieren. Jonas Götz schaute zu seinem Bruder und Halbbruder Neun.
Beide strahlten sie. Das Glück, das Glück, jetzt hatte es beide
erfasst, und sie waren froh, waren weich und lieb zueinander, waren ein
Paar, hatten sich gefunden. Neun gab Gas, beide drückte es in die
Sitze, die Orgel blieb sanft, dann eine erste Kurve, die Orgel jagte
ein paar fetzige Akkorde über die Stadt seitlich unter ihnen, die
Gitarre liess es geschehen, rollte dahin als Vierventiler.
Die Stadt war gross, aber nicht gross genug, um
alle Interessenten aufzunehmen, eine quasimittelalterliche Mauer
umschloss sie, 50 Meter hoch aus Tianid, bald würde eine Kuppel nötig
werden, der Hagelschlag wurde immer lästiger. Draussen lagerten die
Vorstädtler, endlos, wunderbar endlos, wenn man tief flog, aber hübsch
beschaulich von weiter oben. Von da liessen sich weitere Mauern
sehen, kleine Städte sowohl in der Stadt als auch in der Vorstadt,
einige mit Kuppeln, andere mit befestigten Häusern, die grosse Masse
ungeschützt vor Mensch und Wetter, ein Biotop mit grossen und kleinen
und andern Fischen.
Die Sonne legte sich hin und
schickte tiefrote Strahlen. Neun flog Schwenker, es war grandios, und
keinem der beiden Abenteurer wurde es schlecht, grandios. Neun
hob den Apparat an, rasch erreichten sie 30 Kilometer Höhe. Tief unten
war die Welt schön und sauber, ja war es, war es, alles eine Frage der
Perspektive, der Höhe und vor allem der Befindlichkeit, die Evolution
schritt voran, das war kein Zuckerschlecken, das war Arbeit, da flogen
Späne, glücklich jene die darüberflogen. „Na Bruder“, fragte Neun, „was meinst du, hat das
da unten das Zeug zum Zoo?“
Jonas Götz war noch von der
Aussicht gebannt, schaute aber langsam hoch und meinte ganz entspannt,
„nur ein Zoo, schon immer einer, was sonst“, und gab sich der weiteren
Betrachtung seines Planeten hin.
„Ja, wenn das so
ist, dann geht es nur darum, dass wir endlich höhere Preise kassieren
bei den Engeln, oder weiss der Herrgott bei wem. Den Alten kann`s doch
nur ums Geld gehen, die suchen neue Investoren für den Planeten. Da
müssen wir achtgben, dass auch recht was für uns abspringt, Bruder.“ Jonas
Götz grinste ihn an. „Du bist unverbesserlich, unglaublich, Bruder. Es
geht uns also gut, was soll das mit dem Bruder?“ „Stimmt
doch! Traust mir nicht. Gut so, trau mir nie, das brauch ich. Du wirst
immer besser. He Bruder, wir machen ein dickes Geschäft, wow!“ Neun
gab Jonas Götz einen Klaps an den Hinterkopf. Jonas Götz schaute nach
unten, Florida, und war glücklich, endlich Mensch. Neun grinste in die
Sterne und war es ebenso.
Dann Neun spürte
etwas zwischen dem linken Schulterblatt und da war es auch schon da.
„Heilige Maria“, rief er aus und schaute zusammen mit Jonas Götz nach
links raus, wo das Ding neben ihnen herflog, „ein verdammtes Ufo, ein
echtes Ufo, holla.“ Jonas Götz winkte dem Ufo zu und es winkte zurück.
„Schön das Ufo, sehr schön.“
So schnell es gekommen war,
war es auch wieder weg, „schhhhhhifffff“, machte es, auch in der dünnen
Luft hier oben und das war beruhigend, das Ufo machte Töne und winkte.
Neun und Jonas Götz waren komplett high. Ob das nun eine mutierte Ente
oder ein Typ von Alpha Centauri gewesen war, es fuhr gut ein. Neun zog
eine sanfte Freudenkurve, eine richtig angenehme, wirklich zärtliche
Kurve, die Bilder zeigte, von denen Jonas Götz nicht vermutet hätte,
das sie im Hirn seines ruppigen Halbklons zu finden gewesen wären. Was
für eine Reise!
Neun zog die Krishna steil in
den Himmel. „Jonas Götz, Mensch, wir machen einen Abstecher. Engel sind
geduldig, die fliegen uns nicht davon. Und es gibt eine Menge Sorten
Engel. Du darfst dich ruhig etwas bilden in der Sache. Agenten wie wir,
haben sich zwischendurch auch anderes verdient als Denken und Laufen.“ Götz
ahnte was Neun vorschlug und Jonas wusste es aus seinem früheren Leben.
Sie stiegen und stiegen, der Himmel wurde
dunkler als er schon war, die Sterne funkelten, strahlten immer
stärker. Nach der Beschleunigung stellte sich Schwerlosigkeit ein,
wurde bald durch die Bremskraft abgelöst, kam wieder zum Zug, besser,
liess den Zug ziehen. Dann kam er ins Blickfeld, der Engelsee. Der Engelsee war eine zehnhektarkubikgrosse Blase
flüssigen Erotoids mit einem stattlichen Badehaus daneben, wo sich
andocken liess. Die Kundschaft war nicht armselig, wer hatte schon das
entsprechende Fahrzeug. Und die Pauschaltouristen, die flogen zu
andern, noch grössern Blasen. Der Engelsee legte Wert auf exklusive
Kundschaft. Zwei andere Krishnas eine Viper und ein Aston Martin waren
schon angedockt. Neun liess seine Käfer den Papierkram erledigen und
lächelte Jonas Götz an, der neugierig und etwas aufgeregt quittierte,
um rasch wieder den See zu betrachten. Das Erotoid war vom Badehaus aus
in den Raum geblasen worden, wo es am Rand festfror und im Inneren warm
und flüssig blieb. Und was im Innern herumtrieb war eigentlich der
einzige Hinweis auf Erotoid, das einen Brechungsindex von beinah Null
hatte bei einer Relexion des unerwünschten Strahlungsbereichs von
beinah Eins. Die Erotoidblase tat Männern gut, tat vor allem Männern
gut, die schon auf der Erde in Erotoidblasen schwammmen, als sie
sogenannt ungeboren waren. Natürlich tat sie auch allen andern gut, den
Frauen, den Kindern, den mutterleibgeborenen Männern. Dem agressiven
Klonmann tat sie besonders gut. Die Erotoidblase war nichts anderes
als eine künstliche Gebärmutter mit einigen Zusatzfunktionen, wofür
manche Männer schon immer bereit gewesen waren zu bezahlen, früher
hatten sie es Puff genannt. Erotoid aber war mehr, besser, anders, es
liess alles passieren, ohne dass jemand, schon gar keine Frau, aber
auch kein Freier darunter litt. So war die Blase eher mit einem Kino zu
vergleichen, ein Kino das einen komplett einnahm, und wie beim Kino,
liessen sich alle Sorten Film darin schauen. Keine Frage, dass der Empfang herzlich war in
diesem Etablissement, dass sich eindeutig an Herren ohne
Damenbegleitung richtete und nicht an spielsüchtige Teenager oder Damen
ohne Herrenbegleitung. Schwerelos begrüssten Neun und Jonas Götz die
charmanten Empfangshostessen, die zweifellos gut gewählt waren, um
gewisse Fantasien und Energien der zwei Engeljäger zu wecken.
Eigentlich reichte hier oben schon die Anwesenheit irgendwelcher
Frauen, um jeden Mann rasch etwas auf Draht zu bringen. Die
Leichtigkeit gereichte den einen zwar auch zur Übelkeit, die andern
aber fanden es wirklich anregend und entspannend, was ruhig in einem
Zug gesagt werden durfte.
Nach dem
Einchecken wurden die beiden von ihren Damen in den Umkleideraum
geführt dort entkleidet und hübsch gewaschen, keine unnötige Aufgabe
nach all dem Aufruhr auf der Erde. Dann gings in die Schleuse, wo
flüssiges, warmes Erotoid aufstieg und die beiden geputzten Ritter
überflutete und schliesslich durchflutete, bis das letzte
Lungenbläschen, die hinterste Darmschlaufe und beide Gehörgänge voll
von Erotoid waren. Die Tür ging auf, und sanfter Druck beförderte beide
in die Blase. Nackt und schwerelos, voller Wärme und Süsse trieben sie
von Badehaus weg, vor sich die Frau aller Frauen, Mutter Erde.
Mehr
war nicht nötig. Zusammen mit fünf andern Herren trieben sie mehr oder
weniger erregt durchs Erotoid und hatten keinen Zweifel an der guten
Geldanlage, die sie eben getätigt hatten. Dies war wirklich ein
Superetablissment. Andere Blasen arbeiteten mit Effekten,
manipulierten, hallizunierten ihre Kunden, gingen soweit, fiktive, ja
sogar ganz reale Initmitäten vorzutäuschen, plump, plump, oh nein.
Neun und Jonas Götz stiegen nach angenehm
zeitlosem Aufenthalt geputzt, entspannt und milde gestimmt in ihr
Krishnavehikel zurück, winkten den zwei netten jungfräulichen Hostessen
zu und dockten ab. Dann gings zurück an die Arbeit, runter in die
Atmosphäre, Schütteln, Luftsurfen, Wärme und geradewegs auf die Azoren
zu, landen, parkieren, Motor abstellen, aussteigen, da waren sie, immer
noch frisch, immer noch gut riechend. Wieder etwas schwer, aber behend
marschierten sie los in eben noch durchregneter und so gewaschener
Luft, stiegen über das tiefe Trockensteinmäuerchen das den Flugplatz
begrenzte, von der Sonne beschienen.
Nicht weit weg
vom Flugplatz sass ein Schafhirte unter einem kleinen Wellblechdach,
die Herde rundherum beim Weiden des noch nassen Grases. Neun fragte ihn
noch im Herankommen: „Guten Tag, haben sie einen Engel gesehen?“ Der
Hirte antwortete gelassen: „Ja, immer wieder. Vorgestern das letzte
Mal.“
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